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Auch Netzentgelte werden dynamisch – was heißt das für Haushalte?

Der deutsche Strommarkt wird dynamischer. Für viele Haushalte ergeben sich dadurch deutliche Einsparpotenziale. Netzbetreiber sind ab dem 1. April 2025 verpflichtet, dynamische Netzentgelte anzubieten. Diese variable Preisgestaltung der Netzentgelte birgt enormes Potenzial. Haushalte mit einem Smart Meter, die ihren Stromverbrauch in Stunden mit niedrigen Netzlasten verlagern – also Zeiten mit wenig Nachfrage und hoher Stromerzeugung durch erneuerbare Energien –, können so zusätzlich sparen. Diese Änderung ist finanziell besonders attraktiv für Menschen mit einem E-Auto, Stromspeicher und/oder einer Wärmepumpe. Je nach Region und Verbrauch können Verbraucherinnen und Verbraucher so schnell 500 Euro oder mehr sparen.
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Das Wesentliche in Kürze

  • Ab April 2025 müssen Netzbetreiber dynamische Netzentgelte anbieten, die sich nach Netzlast und Stromerzeugung richten.

  • Haushalte mit Smart Meter und steuerbaren Verbrauchsgeräten wie E-Autos und Wärmepumpen können durch Verbrauchsverlagerung deutliche Kosten sparen.

  • Je nach Region und Verbrauch sind Ersparnisse von 300 bis 500 Euro oder mehr möglich.

Was sind Netzentgelte genau?

Netzentgelte sind Gebühren, die für die Nutzung der Netzinfrastruktur an den Netzbetreiber anfallen. Häufig ist das das Stadtwerk vor Ort. Die Abrechnung der Netzentgelte erfolgt durch den jeweiligen Stromversorger, der sie an den Netzbetreiber weiterleitet. Das bedeutet, jeder Haushalt mit einem Stromzähler muss Netzentgelte zahlen.

Die Höhe der Netzentgelte wird separat in der Rechnung des Energielieferanten ausgewiesen. Im Schnitt machen sie etwas mehr als ein Viertel des Strompreises aus, den Haushalte zahlen müssen. Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) liegt die Höhe der Netzentgelte inklusive Messung und Messstellenbetrieb für 2024 bei 11,5 Cent pro Kilowattstunde. Die genauen Kosten sind regional und bei jedem Verteilnetzbetreiber unterschiedlich hoch. So bezahlen Kunden der Hamburger Energienetze in 2025 voraussichtlich 12,1 Cent pro Kilowattstunde, Kunden der EWE Netz GmbH in Niedersachsen jedoch nur 4,89 Cent pro Kilowattstunde.

Auch bei dynamischen Stromtarifen waren die Netzentgelte bisher fix

Derzeit hört man viel über sogenannte “dynamische Stromtarife”. Dabei zahlen Haushalte keinen statischen Preis mehr für jede verbrauchte kWh. Stattdessen profitieren sie mit einem dynamischen Stromtarif direkt von den Preisschwankungen an der Strombörse. Der Strompreis ist oft mittags, bei hoher Solarenergie, und nachts, bei niedrigem Verbrauch und viel Windenergie, günstiger.

Dynamische Netzentgelte sind der nächste Schritt, um den deutschen Strommarkt fit für die Zukunft zu machen. Sie ergänzen dynamische Stromtarife, indem sie sich nach der Netzlast und der Stromerzeugung richten. Dadurch wird ein weiterer Anreiz geschaffen, den Stromverbrauch auf Stunden mit wenig Nachfrage und hoher Erzeugung (etwa nachts, wenn in Deutschland in der Regel der Wind weht) zu legen. Das trägt dazu bei, das Stromnetz auch bei schwankenden Lasten stabil zu halten und erneuerbare Energien besser zu integrieren. In der Folge wird zudem weniger Geld für den Netzausbau benötigt. 

Dynamische Netzentgelte

Beispielhafte Gestaltung der dynamischen Netzentgelte im Tagesverlauf ab 01.04.2025

Jannik Schall, Co-Founder und CPO bei 1KOMMA5° erklärt: “Grundsätzlich gelten die dynamischen Netzentgelte erstmal nur für Kunden mit steuerbaren Verbrauchsgeräten über 4,2 kW. Das ist in §14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) festgelegt. Dazu zählen zum Beispiel Wallboxen, Wärmepumpen und die meisten Stromspeicher. Sie sollen so ins Netz integriert werden, dass sie bei Bedarf vom Netzbetreiber in ihrer Leistung angepasst werden können, um das Netz an kritischen Zeitpunkten stabil zu halten. Diese Steuerung von außen passiert allerdings nur in seltenen Fällen. Die Vorteile für die Verbraucher überwiegen mit der neuen Tarifstruktur: Haushalte erhalten mit dynamischen Netzentgelten einen zusätzlichen Anreiz, Strom dann zu verbrauchen, wenn er besonders sauber und eben auch günstig ist.” 

Verteilnetzbetreiber gestalten dynamische Netzentgelte unterschiedlich

Die Bundesnetzagentur gibt Netzbetreibern viel Spielraum in der Gestaltung der dynamischen Netzentgelte. Sie sind verpflichtet, in mindestens zwei Quartalen im Jahr drei verschiedene Preisstufen beziehungsweise Tarife einzuführen: Hochlast-, Niedriglast- und Standard-Tarife. Der Preis in der Niedriglaststufe muss zwischen 10 % und 40 % des Preises der Standardtarifstufe betragen. Eine erste Auswertung der vorläufigen Netzentgelte verschiedener Netzbetreiber zeigt, wie unterschiedlich die Netzbetreiber die neuen Tarifstrukturen gestalten.

Massives Ersparnispotential bei E-Auto, Wärmepumpe und Stromspeicher

Wie viel können Haushalte sparen, indem sie ihren Verbrauch in eine Niedriglaststufe verschieben? Ein Rechenbeispiel anhand von zwei beispielhaften Familien aus Schleswig-Holstein und München – wo die Netzbetreiber Schleswig-Holstein Netz und Stadtwerke München im Winter Niedriglast-Tarife bieten werden – zeigt, wie hoch die Netzentgelte ins Gewicht fallen können. 

Beide Familien laden ihr E-Auto (70 kWh) über die Woche verteilt einmal komplett auf. Dazu betreiben sie jeden Tag im Winter eine Wärmepumpe, mit einem Verbrauch von etwa 20 Kilowattstunden pro Tag. Hiervon können sie die Hälfte auf die Niedriglaststunden schieben. Auch laden sie jede Nacht den Stromspeicher mit einer Kapazität von 10 Kilowattstunden zur Hälfte auf, um daraus tagsüber Strom beziehen zu können.

Zu herkömmlichen Preisen von 30 Cent pro Kilowattstunde, kostet das pro Halbjahr um die 1.365 Euro. Mit einem intelligent gesteuerten dynamischen Stromtarif von 17 Cent pro Kilowattstunde, können beide Familien bereits um die 590 Euro sparen. Mit dynamischen Netzentgelten sind zusätzliche Ersparnisse von 435 Euro für die Familie aus Schleswig-Holstein drin. Die Familie in München kann zusätzlich 300 Euro sparen.

Voraussetzungen: Smart Meter und intelligente Steuerung

Jannik Schall erklärt, dass Haushalte zwei Voraussetzungen erfüllen müssen, um von der neuen Tarifgestaltung zu profitieren: “Ein Smart Meter ist ein Muss. Diese intelligenten Stromzähler registrieren nicht nur die Menge, sondern auch den Zeitpunkt des Verbrauchs.” Ab dem 1. Januar nächsten Jahres sind alle Netzbetreiber verpflichtet, einen Smart Meter zu einem erschwinglichen Entgelt anzubieten.

Für optimale Ersparnisse müssen Haushalte den Verbrauch zudem intelligent steuern. Auch, weil der Strom während Hochlaststunden erheblich teurer wird. “Man könnte natürlich nachts um 3 Uhr aufstehen, um das Auto vollzuladen oder die Wärmepumpe einzuschalten. Intelligente, KI-gestützte Software übernimmt diese Aufgabe aber besser und zuverlässiger. Sie steuert vollautomatisch den Verbrauch, um Strom immer zum niedrigsten Preis zu beziehen. Diese vollintegrierten Lösungen leisten einen immer wichtigeren Beitrag zur Energiewende. Verbraucher profitieren von niedrigeren Preisen, Erneuerbare werden sinnvoll eingesetzt und der Netzausgleich sorgt dafür, dass weniger Milliarden in den Ausbau des Netzes fließen müssen.”

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