Der deutsche Strommarkt ist komplex, zahlreiche Mechanismen greifen ineinander. Wer verstehen will, aus welchen Quellen Strom heute produziert wird, welche Akteure handeln und wie Preise zustande kommen, ist hier genau richtig.
Strommix: 2023 konnten 56 % des benötigten Stroms über Solar-, Wasser-, Windkraft und Biomasse erzeugt werden. Der Rest wurde aus fossilen Brennstoffen gewonnen oder aus anderen Ländern importiert.
Merit Order: Die Merit-Order beschreibt die Reihenfolge, in der Stromerzeuger zur Deckung des Strombedarfs herangezogen werden, also am Stromhandel teilnehmen. Die Reihenfolge ergibt sich aus Angebot und Nachfrage – wer günstig Strom anbieten kann, verkauft zuerst.
Day-Ahead-Markt: Strom kann schon Monate oder Jahre vor der Erzeugung verkauft und gekauft werden. Am Day-Ahead-Markt geht es jedoch darum, wie viel der Strom am nächsten Tag kosten wird.
Ein guter Startpunkt, den deutschen Strommarkt zu verstehen, ist, einen Blick auf den Strommix zu werfen, der täglich durch das Stromnetz fließt.
Dieser Mix hat sich über die Zeit geändert. In den letzten Jahren sind immer mehr erneuerbare Energien hinzugekommen. Im Jahr 2023 lag der Anteil an Energie aus Solar-, Wasser-, Windkraft und Biomasse bereits bei 56 Prozent. Im ersten Halbjahr 2024 stiegen die Werte weiter auf 61,5 Prozent. Bis 2030 sollen erneuerbare Energien 80 Prozent des Stroms liefern. Diese Zusammensetzung im Strommix verändert den Strommarkt. Mit der Zunahme an erneuerbaren Energien, die sich dynamisch verhalten und nicht konstant in gleicher Menge verfügbar sind, muss sich das Strommarktdesign in Zukunft anpassen.
Wie es um den Ausbau von Windkraft und Photovoltaik bestellt ist, findest du in unserem Artikel zum Strommix. Dort werfen wir auch einen Blick auf die Frage, wie viel Strom durch Importe aus unseren Nachbarländern bereitgestellt wird.
Experten-Tipp: Wusstest du, dass Ökostromtarife nicht zwangsläufig aus 100 Prozent erneuerbaren Energien bestehen? Der Hintergrund: Wie der Strom produziert wird, den du bekommst, liegt an deinem Wohnort und nicht am Tarif. Anders ausgedrückt: Wenn du über deinen Energieversorger Strom einkaufst, bekommst du immer eine Mischung aus Energie, die zum einen über fossile Brennstoffe und zum anderen mit nachhaltigen Methoden, wie Windkraft oder Photovoltaik, erzeugt wurde. Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer, die gesichert sauberen Strom beziehen möchten, sollten sich daher mit dynamischen Stromtarifen und Solarstrom vom eigenen Dach beschäftigen.
Etwa 20 Prozent des Stroms, der in Deutschland verkauft bzw. gekauft wird, wird an der Strombörse gehandelt. Das funktioniert über Auktionen: Stromerzeuger – also Betreiber von Kraftwerken – bieten ihren Strom zu einem bestimmten Preis an, und Käufer (Stromlieferanten) sind bereit, einen bestimmten Preis zu zahlen.
Als Prinzip hinter der Preisgestaltung hat sich die Merit-Order etabliert. Sie ist keine Vorschrift, sondern die logische Folge, wenn alle Akteure am Strommarkt vernünftig handeln und für sich selbst die besten Bedingungen herausholen wollen.
Grundsätzlich funktioniert das Merit-Order-Prinzip so: Der Stromerzeuger, der seinen Strom am günstigsten anbietet, dessen Energie wird zuerst abgenommen. Das sind heutzutage die Erzeuger, die mit erneuerbaren Energien arbeiten. Denn Windkraft und Photovoltaik bringen zwar Kosten für Material und Installation mit sich, doch danach arbeiten sie praktisch kostenlos. Es fallen also kaum Betriebskosten an. Klingt nach günstigen Strompreisen für alle, oder? So einfach ist es jedoch nicht.
Weil es in Deutschland noch einen Strommix gibt, wird der Preis weiterhin durch Kosten für teure Produktion in z.B. Gaskraftwerken bestimmt. Das bedeutet: Der Gaspreis beeinflusst den Strompreis, obwohl Strom aus erneuerbaren Energien bereits so günstig in großen Mengen produziert wird. Ein Beispiel, das dieses Prinzip unter dem Brennglas verdeutlicht, war die Gaskrise im Jahr 2022.
Welche Vor- und Nachteile die Merit-Order mit sich bringt und wie eine Verbesserung dieses Marktprinzips zum Wohle von Verbraucherinnen und Verbrauchern aussehen kann, erfährst du in unserem Ratgeber:
Wusstest du, dass es drei Wege gibt, wie Strom in Deutschland an der Strombörse gehandelt wird?
Den längsten Vorlauf hat der Terminmarkt. Dort werden die Strompreise für Monate oder sogar Jahre im Voraus verhandelt. Hier wird der größte Teil des börsengehandelten Stroms am Terminmarkt verkauft oder gekauft.
Daneben haben Verkäufer und Käufer die Möglichkeit, sich außerhalb der Börse über einen Preis einig zu werden. Dieser Handel läuft unter OTC bzw. “Over the Counter”. Die Verträge werden also direkt zwischen Erzeuger und Abnehmer geschlossen. „Over the Counter“ fließen noch größere Strommengen als im gesamten Börsenhandel.
Die dritte Art des Handels auf dem Strommarkt passiert am Spotmarkt (engl. „Spot Market“). Hier wird Strom sehr kurzfristig gehandelt. Das bedeutet, entweder für den folgenden Tag („Day Ahead“) oder für den aktuellen Tag („Intraday“).
Der Day-Ahead-Handel ist immens wichtig, denn die Geschäfte, die am Terminmarkt gemacht werden, können nur grob vorhersehen, wie viel Strom wann benötigt wird. Am Day-Ahead-Markt wird nachkorrigiert, damit Nutzerinnen und Nutzer zuverlässig mit Strom versorgt sind.
So funktioniert der Day-Ahead-Markt im Groben:
Täglich wird über die Preise für den Strom am Folgetag verhandelt, und zwar in Form einer Auktion.
Bis um 12 Uhr mittags müssen die Angebote und Gebote beider Seiten eingegangen sein.
Die Preise werden für jede Stunde einzeln festgelegt. Dabei verwendet die europäischen Strombörse mit dem englischen Namen European Power Exchange (EPEX SPOT) einen Algorithmus, der dann den sogenannten Markträumungspreis ermittelt.
Wie die Strompreise zustande kommen und warum am Day-Ahead-Markt teilweise negative Preise entstehen, kannst du unter folgendem Link nachlesen. Dort erfährst du auch, wie Verbraucherinnen und Verbraucher von den Preisschwankungen am Day-Ahead-Markt profitieren können:
Die Voraussetzung für ein stabiles Stromnetz ist eine stabile Netzfrequenz. Sie muss in Deutschland und Europa auf 50 Hertz gehalten werden. Schon geringe Abweichungen können elektrische Geräte beschädigen oder zu großflächigen Stromausfällen führen. Doch unser Stromnetz, wie es heute funktioniert, hat keine großen Energiespeicher, die kurzfristig Energieüberschüsse oder -defizite ausgleichen könnten. Der Strom, der erzeugt wird, muss sofort verbraucht werden, um die Netzfrequenz konstant zu halten. Hier kommt die Regelleistung ins Spiel. Sie gleicht kurzfristige Schwankungen zwischen Stromerzeugung und -verbrauch im Stromnetz aus.
Es gibt drei Arten von Regelleistung, die unterschiedlich schnell auf Schwankungen reagieren:
Primärregelleistung: Sie ist das erste Sicherheitsnetz für unser Stromsystem und greift automatisch innerhalb von 30 Sekunden ein.
Sekundärregelleistung: Kommt zum Einsatz, wenn die Primärregelleistung nicht ausreicht oder eine Störung länger andauert. Sie muss innerhalb von fünf Minuten vollständig verfügbar sein.
Tertiärregelleistung oder Minutenreserve: Sie wird bei länger andauernden Störungen innerhalb von 15 Minuten aktiviert und kann mit bis zu 60 Minuten im Einsatz bleiben.
Die Regelleistung ist also eine Art Notfallreserve für das Stromnetz. Diese bereitzustellen, war lange Zeit Aufgabe von Gas- und Kohlekraftwerken. Weil nun aber immer mehr erneuerbare Energien ins Netz fließen, wird diese Funktion künftig zunehmend von virtuellen Kraftwerken übernommen – das sind Netzwerke aus dezentralen Energieerzeugern. Auch neuartige Batteriespeicher, Technologien wie Vehicle-to-Grid (V2G/V2X) und smarte Steuerungslösungen tragen immer stärker zur Netzstabilität bei.
Neugierig geworden? Dann lies unseren vollständigen Ratgeber zum Thema: